Nepal

Unsere Indienreise war für Oktober 1995 gebucht, wurde aber wegen mangelnder Beteiligung vom Reiseunternehmer kurzfristig abgesagt. Bis zu den Weihnachtsferien hatte sich das Blatt allerdings um hundertachtzig Grad gewendet da wurde uns erklärt, dass die Termine in den Frühlingssemesterferien schon ausgebucht, nur noch eine Woche früher, ab Februar 1996 zwei Plätze frei seien. So sagten wir schnell zu. Die eigentliche Vorgeschichte dieser Reise geht aber nicht in das Jahr 1995 sondern in die Hippiezeit zurück. Ich wollte schon während der Hippiezeit nach Indien, gab mich aber zunächst mit dem indischen Markt in Durban in Südafrika wo Gandhi einst herkam, zufrieden. Aber ein Ersatz bleibt immer ein Ersatz. Und am Donnerstag, den 10. Februar 1996 war es dann soweit, dass, ohne oder mit Turban, der Markt in Indien angesteuert wurde.

Wenn man allerdings einem Inder auf dem Markt in Udaipur Glauben schenken wollte, dann müsste die Vorgeschichte noch weiter zurückliegen, denn dieser sagte im Hinblick auf seine Wiedergeburtsvorstellung, dass ich ein Inder, aber in diesem Leben in Europa geboren sei. Egal, wie man zur Wiedergeburt steht, dieser Inder sah in mir, trotz heller Haut und helleren Haaren, einen völlig integrierten Landsmann.

Als wir uns nun auf die Socken machten, um dahin zu gehen , wo der Pfeffer herkommt, waren wir nach drei Stunden Bahnfahrt auf dem Münchener Flughafen und um 19 Uhr 20 ging es dann in die Luft, um den Zwischenstopp Goa, die alte portugiesische Kolonie in Indien, anzufliegen.

 

 Der Flug führte über den Balkan, das Schwarze Meer, Persien, Karatschi in Pakistan, das etwa auf der Höhe von Kathmandu, unserem eigentlichen ersten Ziel, liegt nach Süden über Bombay nach Goa.

Der Flug dauerte wegen Rückenwind 20 Minuten weniger als geplant und so waren wir nach acht Stunden Flug auf dem Militärflughafen in Indien gelandet. Wir kamen aus dem mitteleuropäischen Winter mit Schnee in den indischen Winter in Goa mit circa 24 Grad Celsius, also für unsere Begriffe herrlicher Hochsommer. In Goa geht die Zeit unseren Begriffen etwa vier Stunden voraus, aber in Wirklichkeit hängen wir etwa vier Stunden Indien hinterher. Goa war für andere Passagiere ihr Zielflughafen, aber wie schon erwähnt, nicht unser Ziel, sondern lediglich eine Zwischenlandung mit Auftanken und Wechseln der Crew. Wir mussten aus dem Flugzeug und in den Transitraum. Dabei bemerkten wir, dass wir in einem warmen Land gelandet sind, es hätte Spanien Sein können.

Der Militärflughafen war spartanisch einfach. Dann entdeckte ich die erste Inderin im Sari, sie kehrte den Transitraum. Was mir auffiel war, dass diese Arbeit mit Würde erledigte. Sie hatte bei ihrer Arbeit eine Haltung eingenommen, die ihr gestattete ihre Würde völlig beizubehalten.

An dieser Stelle sollte ich einfügen, dass diese Reise drei Tage Nepal einschloss, genaugesagt, dass der eigentlichen Indienreise drei Tage in Nepal vorausgingen.

Sicht aus dem Flugzeug auf den Ganges

 

Blick auf einen Teil des indischen Himalajas noch bevor wir das Hochtal von Kathmandu in Nepal erreichen

 

Indien ist nicht bloß ein Land, es ist ein Subkontinent. Seine Nord-Süd-Ausdehnung entspricht der Entfernung von Oslo bis Gibraltar. Es hat 20 Sprachen, hundert mal mehr Dialekte und vier verschiedene Schriften.

 

 

 

 

 

Indische Zeitung in Hindi, der in Nordindien beheimateten Sprache und Schrift die auf das  Sanskrit zurückgeht. 

In Südindien wird hauptsächlich Tamil ge- schrieben, das auf die Pali-Schrift zurückgeht. 

 

 

Indische Zeitung in Urdu, einer in Persien be- heimateten Sprache und Schrift.

Indische Zeitung in Lateinischer Schrift, die von Rom über England nach Indien kam und in ganz Indien eine offizielle Schrift ist.

Der Ausdruck "Indischer Befruchtungstanz" sagt trotz oder gerade wegen seines Zynismus sehr viel über Indien aus: Indien ist ein fruchtbares Land, was Pflanzen Tiere und Menschen betrifft. Ehepaare, denen der Kindersegen ohne einleuchtenden Grund versagt ist, müssten einfach nur nach Indien kommen. Die gigantische Vitalität dieses fruchtbaren Landes könnte auf natürliche Weise den ersehnten Kinderwunsch erfüllen. In vielen Hinduistischen Tempeln werden die stilisierten Genitalien des Gottes Schiwa und seiner Gemahlin verehrt. Die indische Fremdenführerin, die uns Bombay zeigte, erklärte den roten Punkt auf der Stirne der indischen Frauen, dass in diesem Falle die rote Farbe der Fruchtbarkeit sei, und auch das Zeichen, dass eine Frau verheiratet ist. Unser Reiseleiter sagte hingegen, das mag wohl mehr für den nördlichen Teil Indiens gelten, das der mit rot gefärbte Haarscheitel das Symbol der Verehelichung ist.

Kulturell betrachtet kann als Teil des indischen Subkontinents Nepal angesehen werden. Nepal ist das letzte hinduistische Königreich. Zwischen Nepal und Indien bestehen freundschaftliche, ja man könnte fast geschwisterliche Beziehungen sagen. Gauthama Siddharta Buddha, der Gründer des Buddhismus, wurde in Nepal geboren und das größte Heiligtum, eines der drei Größten hinduistischen Göttern, nämlich das des Schiwa (engl. Shiva) liegt in Nepal und ist ebenso eine Pilgerstätte wie der Geburtsort Buddhas.

Nach der kurzen Begegnung der indischen Putzfrau im Sari hatte ich in Goa keinen großen Einblich in Indien bekommen. Der Rest der Inder in Goa waren Militärs und damit eigentlich kaum einzuordnen. Und somit war mir in Nepal kein Vergleich mit Indien möglich. Erst nachdem wir Nepal verlassen hatten und in Indien waren, wurde ein Vergleich möglich.

Wenn in Indien die Fruchtbarkeit so eine große Rolle spielt, und wenn Indien mit seinem traditionellen Wickelgewand dem Sari, seiner traditionellen Kopfbedeckung, dem gewickelten Turban, und dem Dothr, dem großen Hüfttuch der Männer bei dem entgegen dem Sari das Ende nicht hoch über die Schulter, sondern unten, zwischen den Beinen hosenartig durchgezogen wird, als ein feminines Land angesehen wird, sei mir nachfolgender Vergleich gestattet: 

 

 

 

 

 

 

Sari

Turban

Dothr

 Nepal ist wie das unverdorbene Mädchen, wenn Indien die vom Zuhälter ausgenommene Prostituierte ist. Indien hat mehre Zuhälter, die ihre Abhängigen aussaugen, an der Spitze steht heute die Krone in der City in London, deren Vorgänge in der East-India-Company zu suchen sind. Im nicht übertragenen Sinne ist zum Beispiel in Nepal die Prostitution und Rauschgifthandel verboten, in Indien gibt es beides.

Die nepalesische Lauterkeit haben wir leider erst bemerkt, als wir Nepal verlassen hatten. Allerdings hatte der Flughafen in Kathmandu schon einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht, und war kein Vergleich zu Goa. Der Flughafen war in Ziegelsichtmauerwerk und mit wunderschönen Holzschnitzereien, denen wir in Nepal dann immer wieder begegneten.

Außerhalb des Flughafens wurden wir dann erstmals mit dem häufigen Betteln und Werben der Straßenhändler konfrontiert. Den Kindern hätte ein Kugelschreiber genügt um ihnen eine Freude zu machen, aber das hatten wir zuvor nicht gewusst.

Nach der Landung auf dem Flughafen Kathmandu war der Transfer zum Hotel. Entgegen dem Prospekt war das Hotel nicht in der neuen Hauptstadt Kathmandu, sondern in der Königsstadt Patan, der Residenz der ehemaligen Malla-Könige, die durch den Fluss Bagmati, von Kathmandu getrennt ist. Der Fluss Bagmati gilt - wie der Ganges - als heilig. Der Rest des Tages stand zur freien Verfügung und die örtliche Reiseleitung zeigte uns, welche Straße ins Zentrum der alten Königsstadt mit ihrem Palast, Markt und ihren vielen Tempeln führt.

 

Basar im Tempelbezirk vor dem Palast der Mala-Könige, wo wir eine Klangschale aus einer Legierung von sieben verschiedenen Metallen entsprechend der sieben altbekannten Planeten zugeordneten Erze, zu einem Spottpreis erwerben.

Die alte Königsstadt Pata

Handel in Pata

 

Balkone in den engen Gasen von Pata, Meisterwerke der Holzschnitzkunst

Plätze in Pata

 

Verschiedene Tempel in Pata

 

Tempel mit goldenen Metallbändern vom Dach herabhängend

 

Tempelbezirk in Pata vor dem Palast der Malla-Könige

 

Kathmandu,

 die neue nepalesische Hauptstadt

Am nächsten Tag war die Besichtigung der neuen nepalesischen Hauptstadt, Kathmandu. An diesem Taq wurde der Geburtstag des Königs volksnah in einem riesigen Stadion gefeiert.

 

öfters hatten wir in Nepal das Gefühl als ob wir in einem historischen Freilichtmuseum wären. Nepal war ja bis zur zweiten Hälfte unseres zwanzigsten Jahrhunderts wie die beiden anderen Himalajastaaten, Tibet und Buthan nach außen hin verschlossen. Der jetzigen König von Nepal studierten in Eton, Oxford und Harvard. Als er aus dem Westen zurückkam lies er keinen schwarzen oder weißen sondern einen goldenen Rolls Roys von vielen nepalesischen Trägern von Indien über den Gebirgspass nach Nepal tragen, denn damals gab es keine Autostraße nach Indien. Auf diese Weise gelang dem König der Spagat zwischen der Tradition seines Landes und der westlichen Moderne. Nepal hat den Anschluss in die Modern mit Film und Fernsehen vollzogen.

 

 

Touristenmarkt in Kathmandu

 

 

Das Parlamentsgebäude in Kathmandu in europäischem Klassizismus

 

 

Der Königspalast in Kathmandu

 Herrliche Holzschnitzereien, es wird hartes Holz verwendet, und daher halten die Schnitzereien, trotz des für das Holz sehr strapaziösen Wetters, spielend einige hundert Jahre

 

Die lebende Göttin in Kathmandu

Die "Kumari" wird als lebende Tochter der furchtbaren Göttin Kali und als Schutzgöttin des Tales verehrt. Ein vierjähriges Mädchen aus der Kaste der Goldschmiede wird nach einem strengen Ritual ausgewählt. Makellose Schönheit und Furchtlosigkeit sind Voraussetzung. Sie bleibt "lebende Göttin" bis zur ersten Menstruation. Immer von Hindupriestern bewacht, wird die Kumari einmal im Jahr bei einem bestimmten Fest in einem Tempelwagen durch die Straßen gezogen. Die Kumari wurde früher der furchtbaren Zerstörerin, der Göttin Kali, als makelloses Menschenopfer dargebracht. Heute wird sie nicht mehr der Göttin geopfert. Sie bekommt eine hervorragende Ausbildung, aber kein Nepalese will sie zur Frau, weil man glaubt, dass sie keine Kinder bekommen könne. Eine Vorgängerin der jetzigen Kumari führt ein Souvenirgeschäft, in dem nepalesische Handwerkskunst vom Teppich über Schmuck bis zu Schnitzereinen gekauft werden kann. Der König macht der lebenden Göttin einmal im Jahr seine Aufwartung. Auch wir bekamen sie kurz zu sehen.

 

Der Eingang zur lebenden Göttin

 

 

Der Innenhof des Tempels der lebenden Göttin

 

 

Im mittleren Fenster wird sie erscheinen

 

Aber sie darf nicht fotografiert werden, und darüber wird scharf gewacht von den Priestern. Da hilft nicht einmal Bakschisch.

 

In Nepal bestimmt die Religion die Geschichte, die Kultur sowie jeden Teil des täglichen Lebens. Hier soll es mehr Götter geben als Menschen, mehr Tempel als Häuser. Die Götter sind überall, ihre Bildnisse allgegenwärtig. Die Ureinwohner pflegten einen mystischen Kult: Blutopfer wie zum Beispiel die Kumari, Dämonenkämpfe und geheimnisvolle Zaubersprüche. Man glaubt, dass alles in der Welt durch die Naturelemente in einer magischen Beziehung steht. Beispiele dieser magischen Naturbeziehung sind Steine, die verehrt werden. So schaut an vielen Stellen auf den Straßen oder Plätzen aus dem Boden ein Stein heraus, welcher mit einer Mauer eingefasst ist. Auf diesen Stein wird rotes Kum-Kum-Pulver getan oder Blumen geopfert. In Kathmandu wird ein solcher Stein sogar mit einem roten Tuch, das mit goldenen Borden eingefasst ist, und einem Schirm beschützt.

 

 

Hinduismus und Buddhismus existieren friedlich nebeneinander und ergänzen sich.

Bilder aus dem Tempelbezirk von Katmandu

  

Im roten Gewand ein Asket, der Schiwa den Gott der Energie und Zerstörung besonders verehrt.

 Im Gelben Gewand ein Asket der eine andere Gottheit besonders verehrt.

 Der Tempelbezirk in Katmandu

 

 

 

Tempel außerhalb des Tempelbezirks von Kathmandu

 

 

Öffentliches Leben in Kathmandu

 

Nachdem wir in Kathmandu und Rackshi, nepalesischen Reisschnaps, aus kleinen unglasierten Tonschalen getrunken hatten fuhren wir Richtung Tibet, in die alte Königsstadt Bhadgaon.

 

Die alte Königstadt Bhadgaon 

Diese Stadt ist wie ein Freilichtmuseum der Frühgeschichte Nepals. Die Stadt ist ziemlich heruntergekommen. Anstatt die Menschen ihren Besitz erhalten, verehren sie Wischnu den Erhalter.

 

 

 

Die Nyatapola-Pagode

 

In den Gesichtern der Einwohner von Bhadgaon merkt man die geografische Nähe zu Tibet, sie sind weit weniger arisch und vielmehr asiatisch.

 

Das goldene Tor zum königlichen Palast in Bhadgaon. Über der Tür eine vergoldete Bronceplastik der Göttin Taleju. 

 

 

Die entlegenen Behausungen können oft nicht angefahren werden, deshalb ist das  Lastentragen etwas alltägliches.

 

 

Unüblicher Wasch- und Badeplatzes.

 

Üblicher Wasch- und Badeplatzes

 

Adieu, Bhadgaon

 

Von Ferne grüßen die Fünf- und Sechstausender

 

Von Kathmandu nach Bhadgaon gibt es einen Trolli-Bus aber anscheinend fahren viele Nepalesen lieber mit einem wunderschön bemalten Lastwagen.

 

Nach der Besichtigung von Bhadgaon fuhren wir wieder zurück zum heiligen Bagmati-Fluss, zum größten Schiwaheiligtum nach Pashupatinath.

Es war der höchste Feiertag, der dem Gott Schiwa gewidmet ist. Wir sahen die Tausende von indischen Walfahrern, die zu ihrem Heil an diesem besonderen Tag nach Nepal gepilgert waren.

Brahman ist oder besser repräsentiert den Erschaffer, Wischnu den Erhalter und Schiwa den Vollender oder Zerstörer. Nach dem man zum Zerstören viel Kraft braucht, ist Schiwa auch ein Energiespender.

Nachdem die Sonne untergegangen war, wurde der Tempel mit dem größten Heiligtum geöffnet. Nur Hindu erhalten Zutritt zu diesem bedeutsamen Heiligtum. Es enthält den stilisierten Phallus - auf Sanskrit Lingam genannt - des Gottes Schiwa. Heilige Männer, Sadus genannt, luftgekleidet oder mit dem Asketengewand begießen sich mit Wasser aus dem heiligen Fluss. Wir konnten einen luftbekleideten Asketen bei der Reinigung sehen. Kranke und Sterbende lassen sich herbeischleppen, um auf den Treppenstufen oder im Sterbehaus freudig den Tod zu erwarten und um erlöst zu werden von der mühsamen Reise der Wiedergeburt. Wir konnten dann eine Leichenverbrennung beobachten. Die Leiche wurde mit einem weißen und einem gelben Tuch bedeckt auf den vorbereiteten Scheiterhaufen gelegt und am Mund, wo das Leben ein- und austritt mit Butter beschmiert und angezündet. Anschließend wurde Reisstroh unter dem Scheiterhaufen angezündet, damit die großen Scheite anbrannten. Die Asche wurde, was wir nicht mehr sahen, dann in den heiligen Fluss gestreut, der später in den heiligen Ganges mündet.

Der dritte und gleichzeitig der letzte Tag in Nepal war von der buddhistischen Kultur geprägt. Morgens fuhren wir zur Stadtgrenze von Kathmandu, auf einen heiligen Hügel, auf welcher der Stupa von Swayambunath thront. Den Pilger führen am Ende seiner Walfahrt 365 Stufen hoch zum ältesten buddhistischen Sakralbau, der schon vor 2 500 Jahren entstanden sein soll.

 

 

 

Von der Terrasse biete sich ein prächtiger Rundblick in das Tal über dem die Geier ihre Kreise ziehen.

 

Perspektiven von Swayambunath

 

Weitere Perspektiven von Swayambunath

 

 

 

Diamantzepter, das buddhistische Symbol der letzten Wahrheit.

Reliquienschrein in Swayambunath mit freilebenden Affen

 

 

Tempel, der dem zukünftigen Buddha, dem Maitreya-Buddha, geweiht ist.

 

Als China 1951 Tibet in Besitz nahm, kam ein großer Flüchtlingsstrom nach Nepal ein Teil hat sich in "Klein Tibet" einem Vorort von Kathmandu angesiedelt.

 

Mit Gebetsfahnen wird nicht gespart

Spaziergang auf dem Stupa

 

Blick vom Stupa aus nach "Klein Tibet"

 

Rückseite des Eingangs zum Stupa in "Klein Tibet"

 

Nachmittags flogen wir von Nepal ab nach Indien.